89 lines
14 KiB
Markdown
89 lines
14 KiB
Markdown
Transkript - Jens Warnecke, Leitstellenleiter Goslar – IP2
|
||
00:00:17 Sprecher 1
|
||
Kannst du mir deinen beruflichen Hintergrund und deine Rolle innerhalb der Leitstelle erläutern?
|
||
00:00:23 Sprecher 2
|
||
Grundsätzlich habe ich hier mal als Disponent angefangen, vor, jetzt muss ich ganz kurz überlegen, vor [vielen] Jahren und als [ein Kollege] erkrankt ist, wurde ich kommissarisch als [Berufsbezeichnung entfernt] eingesetzt, was dann nachher in der [Berufsbezeichnung entfernt] der Leitstelle gemündet ist und zu dem Beruf überhaupt gekommen, bin ich mal über die Feuerwehr. Als ehemaliger Lernberuf bin ich [Berufsbezeichnung entfernt].
|
||
00:00:51 Sprecher 1
|
||
Hast du schon mal Erfahrungen mit Sprachbarrieren während eines Notrufs gemacht und wenn ja, wie bist du damit umgegangen?
|
||
00:01:02 Sprecher 2
|
||
Ja, haben wir regelmäßig. Einmal durch das Tourismusgebiet, was wir hier haben, was noch einigermaßen gut zu händeln ist, was Holländer, Dänen und Ähnliches angeht. Entweder geht es, dass sie ein bisschen Deutsch können oder mit Englisch kann man was machen. Schwieriger wird es mit den Osteuropäern, die auf der [Autobahnbezeichnung entfernt] bei uns unterwegs sind, und da ist es dann oft, dass man irgendwas zu Recht ziehen muss, irgendwie dann eine Entscheidung trifft, wo man mal damit richtig liegt, im Zweifelsfall halt mehr als zu wenig hinschickt.
|
||
00:01:35 Sprecher 1
|
||
Gibt es irgendwelche Tools, die ihr dafür nutzt [um die fremdsprachigen Anrufer zu verstehen]?
|
||
00:01:45 Sprecher 2
|
||
Haben wir, auch das ist schwierig. Wir haben mal einen polnischen, verfahrenen Lieferanten gehabt, der meinte, sein Auto stürzt gleich den Hang runter. Da hatten wir einen Kollegen, Gott sei Dank, im Dienst gehabt, der Polnisch konnte und dann haben wir den halt in eine Konferenz genommen und er hat dann für uns übersetzt. Solche Tools haben wir, oder es gibt auch hier beim Landkreis oder bei der Stadt halt Leute, die entsprechend die Sprachen können, aber das meiste beschränkte sich auf Polnisch. Wenn wir dann aber auf Kroatisch oder Russisch oder sonst irgendwas kommunizieren müssen, dann hört es doch mal auf. Aber polnisch ist tatsächlich noch einigermaßen verbreitet, aber dann hört es auf.
|
||
00:02:24 Sprecher 1
|
||
Habt ihr schon Erfahrungen mit KI-basierten Übersetzungssystemen gemacht?
|
||
00:02:28 Sprecher 2
|
||
Außer, dass was wir uns auf Messen angeguckt haben und gezeigt bekommen haben, im Berufsalltag noch nicht.
|
||
00:02:32 Sprecher 1
|
||
Was bedeutet für dich Vertrauen im Zusammenhang mit neuen Technologien wie zum Beispiel einem KI-basierten Echtzeitübersetzer?
|
||
00:02:44 Sprecher 2
|
||
Ja, was heißt Vertrauen? Da ich es noch nicht im Live-Betrieb richtig genutzt habe, kann ich nicht sagen, dass ich die Erfahrung damit gemacht, aber grundsätzlich vertraue ich schon drauf, weil die mittlerweile relativ weit entwickelt sind und vielleicht auch durch meinen technischen Hintergrund, dann vertraue ich halt auf Technik.
|
||
00:02:59 Sprecher 1
|
||
Wie stehst du allgemein zur Nutzung von KI im Bereich Notrufdiensten?
|
||
00:03:11 Sprecher 2
|
||
Gut, gerade was so Sprachen angeht. Wo ich das noch kritisch ansehe, ist es mit Bilderkennung und ähnlichem, wo man hinmöchte, dass man, ich sag mal, umgefallene Personen erkennt oder ähnliches. Es wird immer viel unter KI abgetan, also alles wo irgendwo ein bisschen Technik ins Spiel kommt, da steht plötzlich KI drüber, was für mich aber eigentlich nur ein technischer Ablauf ist. Wie gesagt, grundsätzlich stehe ich dem offen gegenüber, aber das ist immer die Frage, was man als KI bezeichnet. Ich würde mir eins nicht abnehmen lassen - die Entscheidung würde ich die KI nicht treffen lassen. Da würde ich sagen, da gehört ein Mensch dazwischen, der auch wirklich entscheidet.
|
||
00:03:53 Sprecher 1
|
||
Also eher als zusätzliches Tool? Was sind deine Erwartungen an solche Technologien? Unterstützung oder noch andere Erwartungen?
|
||
00:04:10 Sprecher 2
|
||
Unterstützung ja, aber keine Ersetzung. Also das sehe ich grundsätzlich so: Im Notrufdialog kann ich den Menschen nicht ersetzen.
|
||
00:04:19 Sprecher 1
|
||
Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Faktoren dafür, dass Nutzer, also sowohl Disponenten, aber auch die Anrufer, einem KI-basierten Übersetzungssystem vertrauen können?
|
||
00:04:35 Sprecher 2
|
||
Klar, ich glaube, das Vertrauen ist schnell aufgebaut, weil KI, selbst wenn es fehlerbehaftet ist, ist besser als gar nichts, lieber fehlerhaft oder eventuell mit leichten Fehlern drin. Eine Übersetzung oder ein Tool, was unterstützt, ist besser als ich stehe da und kriege gar nichts aus dem Anruf heraus oder der Anrufer versteht mich nicht, weiß nicht, was er jetzt tun soll oder ähnliches und da lieber leichte Fehler drin als gar keine Hilfe.
|
||
00:05:01 Sprecher 1
|
||
Hat das für den Anrufer auch einen Einfluss?
|
||
00:05:07 Sprecher 2
|
||
Ja, wir sind in der Telefonmedizin Pilotprojekt für [Region entfernt] gewesen und da war bei uns die Sorge, der Notarzt steht nicht mehr im Zimmer, sondern den hat erstmal der Rettungsdienst im Ohr und der Notarzt sieht über ein Smartphone was los ist. Wir haben ein hohes Bevölkerungsalter, da hatten wir Sorge, dass sie es nicht annehmen und wir mussten das Gegenteil feststellen. Die können da sehr gut mit umgehen, dass sie dann plötzlich den Notarzt nur im Handy sehen und mit dem sprechen. Deswegen glaube ich, dass das Vertrauen mittlerweile durch die Medien und auch durch Corona, mit Skype und ähnlichem, dass da die Akzeptanz und das Vertrauen relativ groß ist.
|
||
00:05:49 Sprecher 1
|
||
Welche Eigenschaften oder Funktionen von einem solchen System wären besonders wichtig?
|
||
00:06:02 Sprecher 2
|
||
Also für mich ist es wichtig, dass ich nicht in mehreren Fenstern arbeiten muss, wenn noch eventuell Text hin und her kopiert werden müssen, sondern dass das in einem ist. Zum Beispiel bei der strukturierten Notrufabfrage: Wenn ich dort eine Frage anklicke, dann erwarte ich, dass das automatisiert über das Tool rausgeht an den Anrufer in der Sprache, wie auch immer und wenn er mir eine Antwort gibt, natürlich nicht, die umfänglich ist als Satz, aber wenn es eine Antwort mit „Ja“ oder „Nein“ ist, dann erwarte ich, wenn ein „Ja“ kommt, dass es auch in die Software wieder das „Ja“ reingeht und ich dann die nächste Frage übergeben kann und nicht noch irgendwas reinkopieren muss. Oder auch ein Alter, wenn ich sage: „Wie alt sind Sie?“, er sagt „35“, dann erwarte ich, dass das automatisch ausgefüllt wird. Ja, also schnittstellenbasiert ist jetzt so weit alles.
|
||
00:06:49 Sprecher 1
|
||
Sonst noch zusätzliche Funktionen?
|
||
00:07:03 Sprecher 2
|
||
Ja, also wie gesagt grundsätzlich erst mal, da wir viel mit standardisierten Sachen arbeiten und da man gefordert wird auch vom Land und ähnlichem, was ich als nächsten Step sehe, dass es automatisiert vorgelesen wird. Ich habe erstmal einen Anrufer, bevor ich überhaupt in diese Abfrage komme, dass ich dann natürlich auch das übersetze, was ich sage. Wenn ich dann erst anfangen muss zu schreiben, wenn man sich auf den Chat einlassen muss. Wir haben auch nora als App, das ist auch denkbar, aber schöner wäre es natürlich, dass er sowohl als auch kann. Also einmal meine Sprache übersetzt, umgekehrt mir das auch übersetzt. Von mir aus, dass ich ihn dazuschalten muss und nicht automatisch. Das ist nicht das Problem, aber dass er dann bidirektional beides kann. Meine Sprache plus das, was aus dem Programm kommt.
|
||
00:07:54 Sprecher 1
|
||
Siehst du irgendwelche Hindernisse bei der Einführung einer solchen Technologie in den Notrufdienst?
|
||
00:08:01 Sprecher 2
|
||
Man muss das frühzeitig, wenn man so etwas anwendet, also wenn man es einführt, kundtun. Also sowohl in dem Mitarbeiterkreis, die muss man frühzeitig mitnehmen, dass da jetzt plötzlich jemand mitspielt, aber auch in der Öffentlichkeit kommunizieren, was natürlich schwierig ist. Jemand, der hier im Urlaub ist, dem kann ich nicht kommunizieren, dass wir KI-basierte Notrufabfrage machen. Grundsätzlich sollte man in dem Rahmen, wo man es kann, das schon öffentlich kommunizieren, dass man da solche Sachen einsetzt.
|
||
00:08:32 Sprecher 1
|
||
Gibt es eine Möglichkeit wie man diese Herausforderung angehen könnte, um es zu kommunizieren?
|
||
00:08:43 Sprecher 2
|
||
Ja, also das gehört für mich alles dazu. Da gehört Presse dazu, da gehört Social Media dazu, alles an elektronischen Medien, Homepage und so weiter und je nachdem darf natürlich nicht zu lang werden, dass man eventuell eine Ansage laufen lässt, was im Notruf aber sehr schwierig ist. Also wir machen das sicherlich in Krankentransportleitungen, wo wir auch vorab sagen: „Es wird aufgezeichnet“. Im Notruf machen wir es nicht, um den so kurz wie möglich zu halten. Es wäre doof, wenn die Leute erstmal ein Band hören, dann schneller auflegen. Deswegen im Notruf ist sowas schlecht, da ist die Gefahr, dass die Leute auflegen.
|
||
00:09:25 Sprecher 1
|
||
Wie hängt die Transparenz über die Funktionsweise vom KI-System für dich mit Vertrauen zusammen?
|
||
00:09:32 Sprecher 2
|
||
Ja, das ist schon eine Vertrauensbasis. Also wenn mir jemand sagt, du sprichst da rein, da kommt was raus oder es wird erklärt, wie es funktioniert, ist natürlich das Vertrauen größer, als wenn ich nicht weiß, was dort passiert zwischen Einsprechen und Ausgabe.
|
||
00:09:44 Sprecher 1
|
||
Sollte es simpel und kurz erklärt werden, wie es funktioniert oder auch technischer was dahintersteckt?
|
||
00:09:52 Sprecher 2
|
||
Also es müsste so auf jeden Fall erklärt werden. Mich persönlich interessiert auch der technische Hintergrund, aber ich weiß nicht, was für jeden so interessant ist und ob das jeder sagt.
|
||
00:10:07 Sprecher 1
|
||
Welche Informationen würden dir helfen oder auch aus Sicht der Disponenten, um diesem System mehr zu vertrauen?
|
||
00:10:19 Sprecher 2
|
||
Woher nimmt er das? Nimmt er die Übersetzung aus einer Datenbank? Lernt das System? Weil dann kannst du auch falsch lernen. Das will man nicht hoffen: Aber nimmst du es aus einer Datenbank? Zieht es sich online irgendwas? Und vor allen Dingen auch was Wichtiges: Wo gehen die Daten noch hin? Also das wäre schon wichtig für die Akzeptanz. Werden meine Gespräche oder meine Sachen, die ich eingebe, die noch mal irgendwo auf irgendeinem Datenbankserver irgendwo außerhalb gespeichert? Mich wird das sicherlich nicht um das Vertrauen bringen, als wenn man sagt: „Es ist in unserer Datenbank und wird nach 24 Stunden gelöscht“ oder sowas.
|
||
00:10:51 Sprecher 1
|
||
Also Datenschutz ist auch ein großes Thema?
|
||
00:10:56 Sprecher 2
|
||
Ja, sicherlich fällt das unter Datenschutz, aber da geht es auch um das, ich sag mal, eigene Gespräch, das ist jetzt auch bei normalen Notrufen. Da ist der Hintergrund, wer darf wann mein Gespräch anhören, da geht es gar nicht mal darum, wie lange es gespeichert ist, sondern es geht darum, wer darf da dran. Das wäre hier das gleiche und das muss halt auch sicher sein, dass das auch für den Disponenten [verlässlich ist], wenn das KI tut, mir etwas übersetzt hat und ich aufgrund dessen eine Entscheidung getroffen habe. Man stellt nun fest die Übersetzung war falsch oder es war was anderes gemeint, dann kann es nicht zu Lasten des Disponenten als Fehlentscheidung ausgelegt werden, sondern da muss man sagen, das war das, was er hatte.
|
||
00:11:58 Sprecher 1
|
||
Inwiefern sind Schulungen hilfreich für den Umgang mit dieser Technologie? Und was sollten diese beinhalten?
|
||
00:12:14 Sprecher 2
|
||
Wie die Schnittstelle ist. Also wenn ich irgendwas zuschalten muss, wann ich was, wo und wie zuschalten muss, wenn ich ein Chat habe, auch wie ich den Chat bediene, wie ich die Daten von A nach B kriege. Also das ist je nachdem wie die KI funktioniert auch die Abhängigkeit zu den Schulungen. Je umfangreicher der Disponent eingreifen muss, um irgendwas zu machen, um so ausführlicher die Schulung. Wenn er automatisch zuhört oder über einen Button dazugeschaltet wird und der Rest läuft automatisch, dann ist die Schulung relativ gering.
|
||
00:12:49 Sprecher 1
|
||
Welche Herausforderung siehst du bei der Einführung von KI-basierten Übersetzungssystemen aus organisatorischer Sicht?
|
||
00:13:11 Sprecher 2
|
||
Aus organisatorischer Sicht landen wir da schon wieder fast bei den technischen [Herausforderungen] als auch bei der Finanzierung. Also das ist die größte Hürde, das Ganze finanziert zu kriegen und dann das Ganze durch die Verwaltung zu kriegen und halt das zweite technische: Was brauche ich an Speicher? Welche Größen, wo wird es gelagert und wie angreifbar ist das Ganze?
|
||
00:13:36 Sprecher 1
|
||
Welche Vorteile erwartest du durch den Einsatz solch einer Technologie sowohl für die Mitarbeitenden als auch für die Anrufenden?
|
||
00:13:46 Sprecher 2
|
||
Erstmal eine Zeitersparnis, weil in dem Moment wo man rangeht, und man hat jemanden der nur entweder gebrochen Deutsch spricht, ist ja noch gut, aber sobald ich die Sprache gar nicht spreche, arabisch oder sonst irgendwas, dann denkt man sich im ersten Moment warum bin ich jetzt gerade rangegangen? Und dann zu wissen, da wird jetzt gleich TONI oder wer auch immer für mich einspringen und mir das in meiner Sprache übersetzen und meine Sachen in die andere Sprache übersetzen und die Zeitersparnis für beide Seiten und Verständnis, Aufhebung von der Hilflosigkeit, die auch auf beiden Seiten herrscht. Der Anrufer wird nicht das los, was er sagen will, und der Disponent kriegt nicht die Infos, die er braucht, damit wir dann adäquate Hilfe leisten können und ganz einfach auch eine Entlastung unseres Systems, wo wir unnötig Sachen schicken. Beispielweise der Anrufer will berichten, dass sein Kumpel Fieber hat, und wir schicken das volle Programm hin.
|
||
00:14:38 Sprecher 1
|
||
Wie bewertest du den Kosten-Nutzen-Aspekt im Zusammenhang mit dieser Technologie?
|
||
00:14:55 Sprecher 2
|
||
Ich finde, das kann man in der Notfallmedizin beziehungsweise in einem Notruf gar nicht bewerten, weil was ist ein Menschenleben wert? Keiner wird sich hinstellen und sagen, ein Menschleben ist so und so viel wert. Von daher Kosten-Nutzen, wenn wir eine Person damit gerettet haben, ist schon da. Also das würde ich nicht bewerten wollen, weil das kann man gegeneinander nicht aufwägen.
|
||
00:15:16 Sprecher 1
|
||
Ja, das wären schon alle meine Fragen gewesen, außer du hast noch etwas, was du hinzufügen möchtest?
|
||
00:15:27 Sprecher 2
|
||
Nein, ich hoffe, es bringt was für die Arbeit! |